Ausprägungen der Insomnie
Eine vorübergehende Insomnie, das heißt, wenn sich die Schlaflosigkeit auf einen Zeitraum von einigen Tagen bis hin zu ein bis drei Wochen beschränkt,1 ist nichts Ungewöhnliches. Stress sowie belastende Situationen, beispielsweise ein Krankenhausaufenthalt oder aufregende Ereignisse wie ein Jobwechsel, können uns um den Schlaf bringen.
Bei vorübergehenden Schlafproblemen müssen Sie normalerweise keinen Arzt aufsuchen. Sobald der bekannte "Störfaktor", der einen nachts nicht schlafen lässt, wegfällt, endet in der Regel die akute Form der Insomnie und der Schlaf normalisiert sich.
Eine Behandlung der Insomnie ist meist erst dann notwendig, wenn der Schlafmangel Sie stark belastet oder Sie mehr als vier Wochen und häufiger als dreimal pro Woche Schwierigkeiten mit dem Ein- und/oder Durchschlafen haben.2 Bestehen die Schlafprobleme über mindestens drei Monate hinweg, liegt eine chronische Insomnie vor.3
Schlaflosigkeit und ihre Ursachen
Die Gründe für die Schlaflosigkeit zu finden und zu behandeln, ist umso wichtiger, je mehr sich die reduzierte Schlafqualität und -dauer auf die Lebensqualität auswirkt. Denn wer nachts nicht schlafen kann, fühlt sich aufgrund des Schlafmangels häufig müde und reizbar. Andere Betroffene leiden unter depressiven Verstimmungen, können sich schlecht konzentrieren und ihre Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt.
Als Gründe, die zu Schlafproblemen führen, kommen beispielsweise folgende infrage:
Organische Ursachen
Die Liste an Krankheiten und körperlichen Problemen, die den Schlaf beeinträchtigen, ist lang. Beispiele für organische "Schlafräuber" sind
- Hormonstörungen wie eine Schilddrüsenfehlfunktion,
- Restless-Legs-Syndrom (Bewegungsdrang der Beine, der unkontrolliert vor allem dann auftritt, wenn der Betroffene zur Ruhe kommt),
- Herz- und Lungenerkrankungen,
- chronische Magen-Darm- oder Nierenerkrankungen sowie
- Blasen- und Prostataleiden und damit verbundener nächtlicher Harndrang.
Eine große Rolle spielen bei den Ursachen der Schlaflosigkeit auch chronische Schmerzen, wie sie zum Beispiel bei rheumatischen Erkrankungen vorkommen können. 60 bis 80 Prozent der älteren Menschen leiden darunter.4
Hormonell bedingte Schlafstörungen bei Frauen
Bei Frauen in den Wechseljahren (Klimakterium) kommt es häufiger zu Schlafstörungen. Dies hängt unter anderem mit einem sinkenden Östrogenspiegel zusammen, der wiederum Hitzewallungen, nächtliches Schwitzen sowie Angstgefühle hervorrufen kann.
Mit hormonellen Veränderungen haben auch Frauen während der Schwangerschaft zu kämpfen: Vor allem im ersten Trimester kann die Hormonumstellung den Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen. Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft werden Frauen aufgrund häufigen Harndrangs öfter wach — oder weil es ihnen der wachsende Babybauch erschwert, eine bequeme Schlafposition zu finden.
Um die Grunderkrankung therapieren zu können, bedarf es zunächst einer medizinischen Abklärung. Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt, der Sie gegebenenfalls an einen Spezialisten überweist. Der Arzt untersucht den Patienten, bestimmt Laborwerte (beispielsweise in Hinblick auf die Schilddrüsenfunktion) und zeichnet gegebenenfalls die elektrischen Herzaktivitäten mittels Elektrokardiogramm (EKG) auf.
Medikamente und andere Substanzen
Bei der Suche nach der Ursache für den gestörten Schlaf sind auch eingenommene Medikamente oder andere Mittel zu berücksichtigen. Zu den Substanzgruppen, bei denen Schlafstörungen als Nebenwirkung möglich sind, zählen beispielsweise
- Blutdruckmittel,
- Hormonpräparate,
- Antibiotika,
- Diuretika (Medikamente zur Entwässerung) und
- Antidepressiva mit antriebssteigernden Eigenschaften.
Der Vollständigkeit halber seien an dieser Stelle zudem Substanzen wie Alkohol oder Koffein erwähnt, die Ursache für Schlaflosigkeit sein können.
Interessant:
Schlafmittel (Benzodiazepine) sollten nur kurzfristig zur Anwendung kommen, da sie bei längerer Anwendung abhängig machen können. Aber Vorsicht beim Absetzen von Tabletten und Co.: Erfolgt dies zu schnell, ist eine sogenannte Rebound-Insomnie möglich, das heißt, die Schlafstörung verstärkt sich sogar noch. Um diesen Effekt rückgängig zu machen, greifen viele Menschen dann wieder zu Schlafmitteln – ein Teufelskreis. Besser ist es, in Abstimmung mit dem Arzt, die Dosierung der Mittel kontinuierlich zu senken (sogenanntes Ausschleichen).
Psychische Störungen
Mitunter sind die Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen auch das Symptom einer psychischen Störung, beispielsweise von:
- Depression: Warum genau es hier zu Schlafproblemen kommt, ist noch nicht abschließend geklärt. Möglich ist einerseits, dass Betroffene aufgrund einer inneren Angespanntheit wach bleiben. Andererseits spielt mitunter ein gestörter Schlafverlauf mit verminderten Tiefschlafphasen eine Rolle.5
- Angsterkrankung: Hierunter fallen beispielsweise Phobien, generalisierte Angststörungen oder gemischte Angststörungen mit beispielsweise Depressionen sowie Panikstörungen. Liegt eine Angsterkrankung vor, fällt Patienten aufgrund einer ängstlichen Anspannung häufig das Einschlafen schwer.
- Psychose: Je nach Ausprägung der Psychose (beispielsweise Schizophrenie) kann sich das Wesen sowie Verhalten verändern und beispielsweise zu exzessiven Schlafphasen, aber auch vollständigem Schlafverzicht führen.
- Demenz: Schlechter Schlaf lässt sich vor allem bei Demenzerkrankten feststellen, bei denen sich die geistigen Fähigkeiten (beispielsweise Auffassungsvermögen, Sprache) verschlechtern oder diese stark beeinträchtigt sind. Nicht selten kommt es zu einem Verlust der zeitlichen Orientierung und der Schlaf-Wach-Rhythmus wird gestört.
Sind psychische Probleme der Grund für die Schlaflosigkeit, stehen diese im Behandlungsfokus. Denn die Schlafstörung losgelöst behandeln zu wollen, bliebe ohne langfristigen Erfolg.
Emotionale Ursachen
Bei vielen Menschen sind weder körperliche noch psychische Erkrankungen für die Ein- und Durchschlafstörung verantwortlich. Stattdessen liegt bei ihnen eine sogenannte primäre, nichtorganische Insomnie vor. Die Hauptbeschwerde ist hier, dass der Betroffene das Gefühl hat, nicht ausreichend beziehungsweise schlecht geschlafen zu haben.6
Nach dem Modell von Morin beeinflussen sich vier Faktoren gegenseitig und können so zu einer chronischen Schlafstörung führen:7
- Aktivierung, Erregung: Der Betroffene ist wütend über die Schlaflosigkeit oder begegnet ihr mit Angst (emotional). Es fällt ihm schwer, im Bett gedanklich abzuschalten (kognitiv). Möglich sind auch physiologische Aspekte wie eine erhöhte Muskelspannung. Die drei Ebenen emotional, kognitiv und physiologisch treten entweder einzeln oder zur gleichen Zeit auf.
- Gedanken, die dem Schlaf im Weg stehen: "Ich muss um sieben Uhr aufstehen, nun ist es bereits 2:30 Uhr – ich muss jetzt endlich schlafen." Schon allein der Druck, der bei diesem Satz mitschwingt, zeigt, dass die Erwartungen an sich selbst das Problem verstärken können.
- Schlafunverträgliche Verhaltensweisen: Länger als gewöhnlich im Bett liegen zu bleiben, tagsüber zu schlafen, Fernsehen im Bett – all das wirkt sich ebenfalls negativ auf die Schlafeffizienz aus. Zudem braucht der Betroffene länger, abends einzuschlafen (steigende Schlaflatenz).
- Konsequenzen: Viele Patienten fühlen sich müde, depressiv und/oder ängstlich. Die beeinträchtigte Stimmung kann dann wiederum Einfluss auf die anderen drei genannten Faktoren des Morin Modells nehmen und so eine Art Teufelskreis begünstigen.
Was kann bei Insomnie helfen?
Wer unter einer Schlafstörung leidet, kann dem Problem auf unterschiedliche Weise begegnen. Steckt eine Grunderkrankung oder psychische Störung dahinter, sollte die Behandlung dieser im Vordergrund stehen. Darüber hinaus – oder bei einer primären Insomnie – stehen Betroffenen unter anderem die folgenden Ansätze zur Auswahl:
Verhaltenstherapie und Schlafhygiene
Die von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin konzipierte Leitlinie "Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen" sieht bei Insomnien als erste Maßnahme die kognitive Verhaltenstherapie vor.8 Zusammen mit einem Psychotherapeuten arbeiten die Patienten daran, richtiges Schlafen wieder zu erlernen. Dies bedeutet unter anderem:
- Informationen zum Schlaf erhalten (beispielsweise erkennen, dass das Schlafbedürfnis individuell verschieden ist)
- Fragen zum bisherigen Schlafverhalten erörtern (Gab es schon früher Schlafprobleme? Wie wurden diese bisher angegangen?)
- schlafstörende Faktoren und Situationen besprechen (solche, die Ein- und Durchschlafprobleme auslösen, aber auch aufrechterhalten, beispielsweise Stress und damit einhergehende negative Gedanken)
Im Rahmen der Verhaltenstherapie wird zudem die eigene Schlafhygiene näher betrachtet, denn bestimmte Verhaltensweisen und Umstände können zu einem schlechteren beziehungsweise besseren Schlaf führen. Für eine gute Schlafhygiene sind unter anderem folgende Maßnahmen zu beachten:
- Bei den Raumbedingungen gilt, dass es im Schlafzimmer nicht zu hell, zu warm oder zu laut sein sollte. Verdunkeln Sie daher Ihre Fenster beispielsweise mit Rollos oder Vorhängen und achten Sie darauf, regelmäßig zu lüften beziehungsweise die Heizung im Schlafzimmer nicht zu hoch aufzudrehen – als optimal gelten etwa 17 Grad Celsius.9
- Achten Sie auf gleichmäßige Schlafenszeiten (morgens und abends etwa zur selben Uhrzeit ins Bett gehen beziehungsweise aufstehen), um den biologischen Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen. Dies gilt auch für das Wochenende sowie arbeitsfreie Tage.
- Regelmäßige Bewegung ist ebenfalls förderlich, um den Körper auszulasten; wer weniger aktiv ist, fühlt sich abends womöglich nicht müde genug. Allerdings ist auf eine intensive körperliche oder geistige Betätigung direkt vor dem Schlafengehen zu verzichten, da dies wiederum aufputschend wirken kann.
- Vermeiden Sie einige Stunden vor dem Zubettgehen schwere, fettige Mahlzeiten, Alkohol sowie koffeinhaltige Getränke.
Bei kurzzeitigen Insomnien kann eine überarbeitete Schlafhygiene für eine Besserung sorgen. Demgegenüber ist bei länger anhaltenden Beschwerden oftmals eine Kombination verschiedener Maßnahmen nötig, um die Schlafqualität zu steigern.
Entspannungstechniken
Eine weitere Möglichkeit stellt das Erlernen von Entspannungstechniken wie Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training dar. Diese können dabei helfen, die eigenen körperlichen Vorgänge wahrzunehmen und zu verbessern – so kann eine allgemeine Beruhigung vor dem Zubettgehen erreicht werden. Die gelernten Techniken tragen ebenso dazu bei, festgefahrene Denkmuster zu durchbrechen und negative Gedanken zu stoppen.
Schlafmittel
Eine medikamentöse Kurzzeittherapie (drei bis vier Wochen)7 der Insomnie ist unter Umständen möglich, beispielsweise mit Benzodiazepinen oder Benzodiazepinrezeptoragonisten. Da wie bei allen Medikamenten auch hier Nebenwirkungen möglich sind, ist es wichtig, sich an die ärztlich verschriebene Dosierung zu halten und die Arzneimittel aufgrund ihres Abhängigkeitspotenzials nicht länger als empfohlen einzunehmen.
Darüber hinaus stehen Betroffenen natürliche Mittel wie Präparate mit Baldrian oder anderen Heilpflanzen zur Verfügung. Aber auch hier gilt: Eine Einnahme über längere Zeit sollten Sie vermeiden. Besser ist es, dem grundlegenden Problem für die Ein- und Durchschlafstörungen auf die Spur zu kommen.